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Unser Sardinien-Wohnblockg

Folge 2: Wild West

wild west Ein kleiner Abschweifer, bevor es zum Hauskauf kommt: was treibt uns eigentlich an die Westküste, diese raueste und wildeste und einsamste von allen sardischen Küsten? Wohl der Wind und die Wellen. 2002 sind wir mit Freunden über Weihnachten auf Sardinien (unter anderem) zum Windsurfen.

wild west Es herrscht Mistral, und da Luca, mein Freund, und ich Wellenanfänger sind, wollen wir nach Funtana Meiga, wo auch Nichtkönner eine kleine Chance haben. Der Weg dorthin ist ein Witz, es ist grau, windig, es regnet, die Landschaft ist flach: Felder, ein wenig Schilf, Gras.

wild west Aber dann die Küste! Was für ein Unterschied! Es erinnert mich sofort an Irland. Wellen, Schaumkämme, Möwen - wunderschön! Wild West! Luca geht ins Wasser, wird aber ziemlich grausam gewaschen. Mir ist viel zu viel Wind dort, nur für Verrückte, und Bekannte erklären uns, dass man in dem Fall 20 km nach Putzu Idu fährt, wo ein paar Windstärken weniger sind.

wild west Wir kommen durch ein paar Dörfer, die im regnerischen Grau so ärmlich aussehen, dass man Mitleid bekommt. Kein Putz an den Mauern, keine Farbe, statt dessen ein wilder Elektroverhau von einer Wand zur nächsten, kein Mensch auf den Straßen, aber (tatsächlich!) immer wieder laubloses Buschwerk wie aus der Wüste, das wie eine Kugel vom Wind getrieben über die Fahrbahn hoppelt, eine Szene wie ein Drittklass-Western - Dodge City kurz vor dem Showdown, Wild West. "Hier möchte ich nicht mal begraben sein", sage ich zu meiner Frau (ein Satz, an den wir uns später oft lachend erinnern). In Putzu Idu reißt die Wolkendecke für eine Stunde auf.

wild west Nun ja, der Strand ist toll, aber sehr bald stürmt es und hagelt. Franz (ein weiterer Bekannter) war schon oft hier, zeigt uns ein Plätzchen, wo man das Womo windgeschützt hinstellen kann. Eine Horde unglaublich hässlicher Hunde kommt und wird von uns in einer Regenpause gefüttert - leider habe ich noch keine Digitalcamera, die Hunde von Putzu Idu wären einen Bildband wert gewesen - und abends sitzen wir im Lepori, dem einzigen offenen Restaurant, bei einer (ziemlich guten) Pizza - Neonlicht, türkis gestrichene Wände mit darauf gemalten Flamingos, alles quietschbunt - gewöhnungsbedürftig, Wild West.

wild west Am nächsten Tag ist der Himmel wieder blau und alles sieht viel besser aus; was im Regen ärmlich wirkte, ist jetzt pittoresk, wer dafür wirbt, nennt es wohl ursprünglich, unverfälscht. Auch die Flamingos (die gibt es ja wirklich!) sehen in echt viel besser aus. Grundstein zu einer Liebe auf den zweiten, dritten, vierten Blick..

wild west Als wir zwei Jahre später wiederkommen, sehen wir die Gegend mit anderen Augen. Hier gibt es noch Platz, kaum Schilder, kaum Regeln, was am Strand herumliegt, ist von den Fischern, die hier tatsächlich arbeiten, im Sommer sieht man fast nur Sarden. Wild West.

wild west Wir beschließen also im Februar 2006, das Häuschen zu kaufen, werden an Ostern wiederkommen, um den Vorvertrag und die Anzahlung unter Dach und Fach zu bringen, und wir vereinbaren, dass wir mit der Renovierung gleich anfangen dürfen - ohne Schreiberei, Handschlag, ein Mann, ein Wort. Wir kommen und fangen mit dem Garten an. Legen die ersten von vielen, vielen, vielen Steinen.

wild west An den Rändern erwartet uns Unerwartetes: Meterhohe, meterdicke "Wandverkleidungen" aus Schilf von mehreren Jahren (das im Garten wächst), darunter ein Waschbecken, eine Kloschüssel, eine tote Katze, alte Matratzen, Schutt. Nach und nach werden wir alles los, nur Wascbecken und Kloschüssel will der Müllmann nicht mitnehmen.

wild west Keine Chance, es gibt keine Halde dafür.
"Habt Ihr keinen Garten, wo Ihr es vergraben könnt?"
"Wir haben es ja eben erst aus dem Garten ausgegraben!"
"Dann werft es doch zum Nachbarn, ist doch keiner da!"
Wild West.

wild west Am Ende nimmt der Müllmann das Porzellan doch mit. Gezwungenermaßen ("Ich stell mich so lange vor den Laster, bis Du es mitnimmst!").
Das Außenbad ist nicht groß, aber bis unters Dach vollgestopft. Zwei Tage Dreckschaufeln, ein Haufen vollgeregneter Behälter, in denen sich Millionen kleiner Stechfliegen in den letzten zehn Jahren vermehrten wie im Brutkasten. Ich zähle 200 Stiche am Kopf.

wild west Das Holz vom Vordach kommt auch noch dran, ich pinsle drei Tage mit Leinöl, das mir Alessio zuhause mit allerlei anderen Mitteln gegen UV-Strahlen, Holzwürmer, Geister und Trolle angerührt hat, alles pappt und klebt und der Arm ist lahm, aber es sieht gut aus - wenn nur nicht die Tauben hier alles vollsch... würden. Erste Versuche von Tauben-Abwehr-Installationen.

wild west Wir stärken uns vom Grill. Dann ist der "Urlaub" fast vorbei. Wir fahren nach Oristano und machen den Vorvertrag. So richtig will der Verkäufer irgendwie nicht mehr, aber am Ende haben wir das Papier in Händen und überweisen ein Zehntel der Kaufsumme. Pfingsten werden wir wiederkommen, da wollen wir das Haus verputzen und und und... und natürlich zum Notar gehen. Alles klar. .

wild west Zuhause kaufen wir eine Schlafcouch für die Küche, Keimfarbe (die gute) für alle Wände, Holz, Schrauben, einen Kühlschrank (einen schmalen, damit er durch die Tür vom Womo passt), mehrere Lampen, Teppiche (und beziehen einen Sessel neu)... alles, damit wir im Sommer schon vermieten können - die website dazu nimmt auch schon Gestalt an. Am Abend bevor wir losfahren (nachdem wir sechs Stunden die Sachen ins Wohnmobil gepackt haben) ruft der Verkäufer an. Er hat sich was überlegt. Das mit dem Haus geht irgendwie so nicht. Er würde gern ein Zimmerchen für sich selbst behalten. Aber das können wir ja besprechen, wenn wir in Sardinien sind. Ich glaube, ich spinne. Wild West.


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